Digitalisierung bleibt eine Baustelle

Weinheimer Nachrichten 1. Juni 2021

Weinheim. Vor vier Jahren trat der Heidelberger Dennis Nusser (24) zum ersten Mal für die FDP bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Heidelberg/Weinheim an. Schon damals war es ihm ein wichtiges Anliegen, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben. Nun kandidiert er wieder, und das Thema ist nach wie vor eine große Baustelle. Das wurde auch beim Besuch von Nusser bei der Online Software AG in Weinheim deutlich.
Geschäftsführer Volker Wissmann stellte zunächst das Unter-nehmen vor, das Soft wäre-Lösungen für den stationären Einzelhandel anbietet. Ein Hauptgeschäftsfeld ist der Lebensmittelhandel, für den die Online Software AG entsprechende Produkte für crossmediale Werbung anbietet. Vom digitalen Preisetikett im Supermarkt bis zum gedruckten Werbeplakat. Ein weiteres Produkt ist tierwohl.tv, das Livebilder aus den jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieben direkt auf ein Display im Supermarkt schickt. Wer beispielsweise Bioeier kauft, kann per I.ive-Video direkt in den Stall blicken und sehen, wie die Hühner dort gehalten und versorgt werden. Eine smarte Idee, wären nicht viele Höfe schlecht ans Internet angebunden. „Aber die digitale Anfeindung in Deutschland ist eben immer noch das große Problem“, sagt Nusser.
Wie viele andere Unternehmen, setzt sich auch die Online Software AG aktiv dafür ein, dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken. Vor allem die unzureichende Ausbildung in den MI NT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) an den Schulen bereite ihm in dieser Hinsicht Sorgen, betonte Firmenchef Wissmann. Um mehr Kinder und Jugendliche für MINT-Berufe zu begeistern, gehe er in Schulen und un­terrichte an Universitäten, berichte­te Wissmann. Auch Nusser sieht eine große Diskrepanz zwischen der Realität und dem Anspruch des Bil­dungssystems. Lerninhalte wie Pro­grammieren stünden viel zu spät, erst in der Oberstufe, auf dem Lehr­plan.

Der 24-jährige Heidelberger hat inzwischen seinen Master in Public Policy (Philosophie, Wirtschafts-und Politikwissenschaft) an der eng­lischen Universität Oxford abge­schlossen. Ein Jahr hat der dafür in England verbracht. Zurück in seiner Heimat geht es nun direkt los mit dem Wahlkampf, der in mehrfacher Hinsicht anders sein wird als vor vier Jahren. Zum einen ist das Durchschnittsalter der Kandidaten deutlich gesunken, nachdem erfah­rene Abgeordnete wie Karl A. La­mers (CDU) und Lothar Binding (SPD) aus Altersgründen nicht mehr angetreten sind. Zum anderen spielt auch die Corona-Pandemie eine Rolle. „Ich erwarte deshalb auch ei­nen deutlich digitaleren Wahl­kampf, sagt Nusser. „Und was die Themen anbelangt, so denke ich, dass wir die anders diskutieren wer­den. Themen wie Generationengerechtigkeit treiben uns sicherlich alle um“, sagt er mit Blick auf seine politischen Konkurrenten Elisabeth Krämer (28, SPD}, Sahra Mirow {37, Die Linke), Alexander Föhr (40, CDU) und Dr. Franziska Brantner (41, Grüne). Trotzdem will Nusser die Stimme der jungen Menschen bleiben und sich neben der Digitalisierung – „Da wird viel gesagt und wenig getan“ -für den Erhalt von Arbeitsplätzen auch in der Zeit nach der Corona-Pandemie einsetzen. „Die Politik darf Unternehmen nicht noch mehr belasten, zum Beispiel im Hinblick auf die Bürokratie und Dokumenta­tionspflicht“, sagt Nusser. Auch die Versäumnisse und Fehler im Ge­sundheitssystem im Zusammen­hang mit Corona müssen aufgear­beitet und künftig vermieden wer­den. Auf das Gesundheitssystem blickt Nusser auch mithilft* privater Erfahrungen. „Mein Vater ist Kran­kenpfleger, deshalb bin ich da sehr nah dran.“ Es gehe ihm dabei nicht nur um mehr Gehalt für Pflegekräfte, sondern auch darum, die Ar­beitsbedingungen zu verbessern. „Früher wurden 80 Prozent der Ar­beitszeit für die Pflege aufgewendet und etwa 20 Prozent am Schreib­tisch verbracht. Heute sitzen die Mitarbeiter bis zu 70 Prozent am Schreibtisch, um alles zu dokumen­tieren. Da sehe ich einen wichtigen Schwerpunkt für politisches Han­deln“, so Nusser.

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